Wertstrom – Potentialanalyse für ein ganzheitliches Verbesserungssystem

Die­ser Arti­kel beschreibt, wie du Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se mit Hil­fe der Wert­strom-Ana­ly­se über­sicht­lich dar­stel­len und Poten­tia­le auf­de­cken kannst. Den über­ge­ord­ne­ten Arti­kel fin­dest du hier.

„Wo immer es ein Pro­dukt für einen Kun­den gibt, gibt es auch einen Wert­strom. Die Her­aus­for­de­rung liegt dar­in, ihn zu sehen.“ 

Mike Rother

Im vor­he­ri­gen Arti­kel haben wir erklärt, wie du (admi­nis­tra­ti­ve) Pro­zes­se mit­hil­fe von Pro­zess­fluss­dia­gram­men und Swim­la­nes visua­li­sie­ren kannst. Für Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se hin­ge­gen eig­net sich die Wert­strom­ana­ly­se, um den aktu­el­len Pro­duk­ti­ons­fluss abzu­bil­den, Schwach­stel­len her­aus­zu­fil­tern und den Soll-Zustand (Wert­strom­de­sign) abzu­lei­ten. Hier­bei wer­den der Pro­duk­ti­ons­fluss, die Durch­lauf­zeit und die Bestän­de aus Sicht des Arti­kels auf­ge­nom­men und im Nach­gang auf Schwach­stel­len unter­sucht. Hohe Bestän­de füh­ren zu lan­gen Durch­lauf­zei­ten und gerin­ger Fluss­ef­fi­zi­enz, die es zu ver­mei­den gilt!

Grundregeln zur Wertstrom-Erstellung 

— Per­spek­ti­ve: Begin­ne beim Kun­den, ende beim Lieferanten
— Erhe­be die Daten durch eige­ne Beobachtungen
— Nut­ze Blei­stift und Papier, um Ände­run­gen leicht einzufügen 

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Vorgehensweise bei der Erstellung einer Wertstromanalyse:

1. Bestim­mung der Produktfamilie:

Wäh­le zunächst die Pro­dukt­fa­mi­lie, für die du einen Wert­strom erstel­len möch­test. „Eine Pro­dukt­fa­mi­lie ist eine Grup­pe von Pro­duk­ten, die eine ähn­li­che Arbeits­fol­ge mit den den­sel­ben Res­sour­cen durch­lau­fen.“ Sprich Arti­kel, die über die­sel­ben Maschi­nen lau­fen. Mit Hil­fe einer Pro­dukt­fa­mi­li­en-Matrix las­sen sich die ein­zel­nen Pro­duk­te zu Pro­dukt­fa­mi­li­en – wie nach­fol­gend dar­ge­stellt – zuordnen.

2. Bestim­mung der Kundenanforderungen:

Fin­de her­aus, wel­chen Bedarf dei­ne Kun­den von der aus­ge­wähl­ten Pro­dukt­fa­mi­lie pro Schicht abneh­men und berech­ne den Kun­den­takt. Der Kun­den­takt ist die Zeit­span­ne, in der der Kun­de ein Stück abnimmt.

Bei­spiel: Schicht­be­darf = 100 Stk, Fer­ti­gungs­ka­pa­zi­tät = 480 min / Schicht

taktzeit

Kun­den­takt = 480 min / 100 Stk = 4,8 min / Stk

Du musst dem­nach alle 4,8 min ein Stück an den Kun­den aus­lie­fern, um nicht in Lie­fer­ver­zug zu geraten.

3. Wert­strom zeichnen:

Begin­ne den Wert­strom mit dem Kun­den und dem exter­nen Materialfluss:

  • Häu­fig­keit (z.B. 1 x täglich)
  • Abnah­me­men­ge pro Zeiteinheit
  • Behäl­ter­grö­ße = Gebindegröße

Zeich­ne den Lie­fe­ran­ten und den Mate­ri­al­fluss vom Lie­fe­ran­ten ein:

  • Häu­fig­keit (z.B. 1 x wöchentlich)
  • Men­ge pro Lieferung

Zeich­ne nun die ein­zel­nen Fer­ti­gungs­schrit­te als Pro­zess­käs­ten auf und notie­re die Mit­ar­bei­ter­an­zahl, Zyklus‑, Bear­bei­tungs- und Rüstzeiten:

  • Zyklus­zeit:

Der Zeit­ab­stand von der Fer­tig­stel­lung eines Tei­les bis zur Fer­tig­stel­lung des nächs­ten Tei­les ist die Zyklus­zeit. Wirft eine Stanz­ma­schi­ne z.B. alle 20 Sek. ein Teil aus, so ist dies die Zyklus­zeit Wir kön­nen also alle 20 Sekun­den ein Teil entnehmen.

  • Bear­bei­tungs­zeit:

Die Bear­bei­tungs­zeit ist die benö­tig­te Zeit von Anfang bis Ende des glei­chen Teils. Wir mar­kie­ren gedank­lich ein Teil bei Pro­zess­e­in­tritt und mes­sen die Zeit, bis es am Pro­zess­ende ankommt.

  • Rüst­zeit:

Die Rüst­zeit ist die Zeit­span­ne, die zwi­schen zwei Auf­trä­gen anfällt. Sie ist die Zeit zwi­schen dem letz­ten Gut­teil des alten Auf­tra­ges und dem ers­ten Gut­teil des neu­en Auftrages.

4. Auf­nah­me der Mate­ri­al- und Informationsflüsse:

Sind die ein­zel­nen Pro­zess­schrit­te erfasst, zeich­ne nun die Mate­ri­al- und Infor­ma­ti­ons­flüs­se ein. So ver­bin­dest du die ein­zel­nen Pro­zess­schrit­te mit­ein­an­der und es wird deut­lich, in wel­cher Rei­hen­fol­ge die Fer­ti­gungs­schrit­te durch­lau­fen wer­den. Die Infor­ma­ti­ons­flüs­se geben an, wie die Auf­trags­in­for­ma­tio­nen zu den ein­zel­nen Pro­zess­schrit­ten über­tra­gen wer­den. Sprich: Woher weiß der Pro­zess, was er bis wann pro­du­zie­ren muss?

Im Ide­al­fall gibt es einen Punkt, an dem die Auf­trä­ge ein­ge­steu­ert wer­den. Die Pra­xis zeigt aber, dass vie­le Sys­te­me über­be­stimmt sind, sodass meh­re­re kon­kur­rie­ren­de Steue­rungs­im­pul­se in die Fer­ti­gung gege­ben wer­den. Die­se wer­den oft noch durch die Füh­rungs­kraft vor Ort („Go See“) oder Ein­grif­fe von Pla­nern / Logis­tik über­steu­ert. Dies führt zu Inef­fi­zi­en­zen im Sys­tem und am Ende zu höhe­ren Durchlaufzeiten.

Beim Mate­ri­al­fluss wird zwi­schen Push und Pull-Flüs­sen unter­schie­den, die mit­hil­fe ver­schie­de­ner Pfei­le ein­ge­zeich­net werden.

  • Push vs. Pull

In klas­si­schen Pro­duk­ti­ons­be­trie­ben ist häu­fig das Push Prin­zip anzu­tref­fen. Der Mate­ri­al­fluss wird dabei zu Beginn der Pro­zess­ket­te ein­ge­steu­ert und die Halb­fer­tig­wa­re wird zwi­schen den ein­zel­nen Fer­ti­gungs­schrit­ten gela­gert, wodurch vor jedem Pro­zess­schritt Lager­be­stän­de ent­ste­hen, die die Durch­lauf­zeit erhöhen.

Beim Pull-Prin­zip wird nur so viel pro­du­ziert, wie auch benö­tigt wird. Der Mate­ri­al­fluss wird vom letz­ten Pro­zess aus ein­ge­steu­ert und die­ser stößt die Nach­pro­duk­ti­on in den Vor­pro­zes­sen an. Das Pull-Prin­zip wird oft durch Kan­ban (Super­markt­prin­zip) realisiert.

5. Auf­nah­me der Bestände

Lau­fe nun den rea­len Pro­zess dei­nes Wert­stroms ab und zäh­le die phy­si­schen Bestän­de. Notie­re die Bestän­de vor und hin­ter jedem Pro­zess­schritt auf dem Wert­strom. Erfas­se unter den Pro­zess­schrit­ten die jewei­li­ge Bear­bei­tungs­zeit und die Reich­wei­te, bis die Bestän­de auf­ge­braucht sind. Liegt der Kun­den­be­darf z.B. bei 300 Stk/ Tag und dein Bestand vor einem Pro­zess­schritt bei 900 Stk, so liegt die Reich­wei­te bei 3 Tagen (Bestand/Kundenbedarf).

6. Berech­nung von Durch­lauf­zeit und Flussgrad:

Die Lie­ge­zeit ist die Sum­me aller War­te­zei­ten und wird am Ende des Wert­stroms auf­sum­miert. Das glei­che gilt für die Sum­mer der Bear­bei­tungs­zei­ten. Nun lässt sich die Durch­lauf­zeit (DLZ) und Fluss­grad berechnen:

DLZ = Lie­ge­zeit + Bear­bei­tungs­zeit = 2,5 Tage + 0,03 Tage (bei 2 Schicht) = 2,53 Tage

Fluss­grad = Bear­bei­tungs­zeit / DLZ = 0,03 / 2,53 = 0,01 = 1 %

Der Fluss­grad liegt in die­sem Bei­spiel bei 1 %. Das heißt, dass das Mate­ri­al zu 99 % auf Bear­bei­tung wartet.

7. Bestim­mung des Taktgebers:

Der Takt­ge­ber ist der Pro­zess­schritt, der das Sys­tem auf einen bestimm­ten Men­gen­durch­satz limi­tiert und stellt damit das Bot­t­len­eck des Wert­stroms dar. Wenn wir also den Kun­den­be­darf nicht decken kön­nen oder wei­ter wach­sen wol­len, müs­sen wir die­sen Pro­zess­schritt optimieren.

In her­kömm­li­chen Unter­neh­men fin­den sich oft gerin­ge Fluss­gra­de. Dies zeigt, dass sich stark auf Res­sour­cen- und weni­ger auf Fluss­ef­fi­zi­enz fokus­siert wird. Eine wesent­li­che Prio­ri­tät von Lean Manage­ment liegt auf der Erhö­hung des Fluss­gra­des und damit auf der Erhö­hung der Flusseffizienz.

„It‘s bet­ter to attach peop­le to work than work to people“ 

Toyo­ta

Hohe Bestän­de vor ein­zel­nen Pro­zess­schrit­ten sind ein Indiz auf eine unaus­ge­gli­che­ne Pro­duk­ti­on und ver­schlei­ern wei­te­re Ver­schwen­dun­gen. Oft wer­den Sicher­heits­be­stän­de als Pro­blem­lö­sung ein­ge­führt, um Lie­fer­ter­mi­ne ein­hal­ten zu kön­nen. Die Ursa­che wird damit aber nicht beho­ben. Die Wert­strom­ana­ly­se hilft Trans­pa­renz über den aktu­el­len Pro­duk­ti­ons­ab­lauf, die Mate­ri­al- und Infor­ma­ti­ons­flüs­se zu gewin­nen und bil­det die Grund­la­ge zur Ablei­tung von Ver­bes­se­rung und dem Soll-Wert­strom. Erfah­re in unse­rem nächs­ten Arti­kel, wie sich die Wert­strom­ana­ly­se mit dem Bub­ble Dia­gramm um eine wei­te­re Sicht ergän­zen lässt!

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Sven Klingel
Sven Klingel
2 Jahre zuvor

Tol­le Beschrei­bung! MEGA!

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